Das Forum über ABBA, Agnetha Fältskog, Benny Andersson, Björn Ulvaeus, Anni-Frid Lyngstad und ihre Musik
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Das Phänomen ABBA
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ABBA und die heile Welt
Bei meinem letzten Besuch in Schweden, zu dem auch ein Besuch im Stadtmuseum gehörte, kam mir folgender Gedanke:
Dieses ungebrochene, fast naive Festhalten an der Melodie, dieser melodisch, harmonische Reichtum, der in Zentraleuropa musikhistorisch schon vor den zwei Weltkriegen vor allem im Klassikbetrieb immer mehr in die Krise geriet, ist in der Musik von Abba ungebrochen, sie halten fest an ausgefeilten Arrangements und füllen die Melodiebögen mit Leidenschaft.
Und genau das dürfte dem dem deutschen Feuilleton, und den Rock-Theoretikern der einschlägigen Anti-Abba-Musikpresse der 70er und 80er quer im Magen gelegen haben. Weil hier ein Stück heile Welt überlebt hat, das in Deutschland so erstmal kaputt gegangen war durch den zweiten Weltkrieg.
Schaut man nach Schweden, und das habe ich im Stadtmuseum in Stockholm gelernt, stellt man fest, dass Schweden während der beiden Weltkriege weitgehend neutral war und auch von Kampfhandlungen verschont blieb. Das heisst, dass die Vätergeneration 1945 und später kein Trauma nach Hause brachte, an dem sich die jüngere Generation hätte abarbeiten müssen. Auch die ungebrochene Tradition von schwedischer Volksmusik, die bis heute auf einem ganz anderen Level stattfindet, als man sich das im Dunst deutscher TV-Peinlichkeit ausmalen könnte, hat hier mutmaßlich ihre Ursache.
Ein Welterfolg wie ABBA ist kein Zufall, er wächst auf einem günstigen Boden. Die reichhaltige, ungebrochene Musiktradition in Schweden, sowie die mutmaßliche seelische Unversehrtheit Schwedens finden in der Musik ihren Ausdruck. Und diese Musik kommt nun in andere Länder, wie Deutschland, wo jede Familie ein Trauma aufzuarbeiten hat. Und da erscheint es mir logisch, dass ein Teil der Menschen, diese noch "heile" Musik umarmt, während sie andere als "zu naiv" ablehnen.
Der wachsende Erfolg und die zunehmende Anerkennung auch in Fachkreisen und im heutigen Musikjournalismus hat auch mit dem Heilungsprozeß in den Familien zu tun, die mit der Zeit vielleicht für diese Musik offener geworden sind. Und viel der heutigen, leidenschaftlichen Abbafans waren damals Kinder, also nicht so vorbelastet. Und Kinder reagieren meist sehr positiv auf Abba. Auch ich war 8 Jahre, als ich nach einmaligem Hören der Greatest Hits Vol.2 1979 sofort zum Fan auf Lebenszeit wurde.
Letztich wollen Menschen, wenn es gut geht, heil werden, ihre dunklen Seiten überwinden. Und auch das spiegelt sich wieder in ABBAs Musik, es ist nicht nur heile Welt. Auch Schicksalsschläge und unglückliche Beziehungen werden durchlebt, aber am Ende des Tunnels scheint bei aller Melancholie immer ein Licht, das niemals verlöscht.
Und das weist über die 4 Individuen, die die Musik gemacht haben hinaus. ABBAs Musik appelliert an die gute Seite im Menschen und daran, dass man seine Emotionen lebendig hält.
Wow, Du hast das perfekt formuliert. Das mit dem Heile Welt Gedanken hatte ich auch immer. Die Musik ist ein Pflaster für die Seele. Wenn es mir nicht gut ging half mir die Musik, wenn ich glücklich war, war die Musik auch mit dabei. Dies ist Musik die in alle Beteiche Zugang findet.
Jag känner ABBA i mig....I wonder......Live Version.... Frida, du får mig att gråta
"Letztich wollen Menschen, wenn es gut geht, heil werden, ihre dunklen Seiten überwinden. Und auch das spiegelt sich wieder in ABBAs Musik, es ist nicht nur heile Welt. Auch Schicksalsschläge und unglückliche Beziehungen werden durchlebt, aber am Ende des Tunnels scheint bei aller Melancholie immer ein Licht, das niemals verlöscht.
Und das weist über die 4 Individuen, die die Musik gemacht haben hinaus. ABBAs Musik appelliert an die gute Seite im Menschen und daran, dass man seine Emotionen lebendig hält". Zitat von Groenalund
Das wurde von Dir perfekt aus gedrückt , Groenalund !
Groenalund, da hast du ein sehr interessantes Thema aufgemacht. Es lohnt sich wirklich, darüber nachzudenken.
Ich frag mich aber auch, was sind die Einflüsse, die auf die Musik von Abba eingewirkt haben. Benny hat es mal so ausgedrückt, dass die langen Winternächte und die Dunkelheit sich auf das Gemüt in Skandinavien auswirken, dass die Melodien oft in der Tonfolge runtergehen, ins Melancholische, was man auch von vielen Abba-Songs her kennt. Die skandinavischen Klassiker wie Sibelius und Grieg haben es in ihrer Musik ähnlich. Oft findet sich in den Liedern Traurigkeit und Melancholie, aber auch die Hoffnung auf bessere Zeiten, vielleicht den unbeschwerten Sommer. Bullerbü findet in unserer Vorstellung ja auch immer irgendwie im Sommer statt. Ein großer Einflussfaktor ist sicherlich auch der Schlager, der britische Pop und Beat der Sechziger und Siebziger Jahre, ja auch der Glamrock. Es wurde viel experimentiert in der Anfangsphase. Das ist aber auch das Alter, in dem die vier damals waren. Da probiert man gerne aus, verwirft vielleicht wieder oder verbessert, bis es zum fertigen Lied kommt und gerade die Vielseitigkeit der ersten Jahre zeigt mir das immer ganz deutlich. Im zunehmenden Alter kommen Faktoren dazu wie das persönlich erlebte oder wahrgenommene, wie Beziehungen, die schwieriger werden, auseinander gehen oder das wahrnehmen der Welt von Außen, wie in dem Album von The Visitors, das nur noch wenig von der heilen Welt zeigt, sondern Sorge, Angst, Themen wie Diktatur, kalter Krieg, militärische Bedrohung..... Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger war es auch den Schweden klar, dass Neutralität nicht der Garant für Frieden ist. Dafür gab es zu viele U-Bootsichtungen in den Schären oder Meldungen über die Nachbarn im Osten. Vielleicht ist das auch einer der Gründe für den starken Wandel der Abba-Musik. Die Welt hat sich geändert. Auf einmal war man erwachsener..... Die Sachen von Benny und Björn in den Folgejahren zeigen, dass das Schweden, dass wir aus dem Fernsehen kannten, dass stark von Astrid Lindgrens Geschichten geprägt war, auch eine Utopie war. Es war nicht alles so leicht und es war nicht ewiger Sommer. Eine ähnliche Entwicklung hat aber auch zumindest in Deutschland die deutsche Schlagerwelt gehabt. Die Siebziger standen für unbeschwerte Musik, von Romantik aus Urlaubsreisen (in den Liedern kam ständig Spanien, Italien oder Griechenland vor....) Auch hier hätte man durchaus von heiler Welt ausgehen können, auch wenn der Krieg ja erst zwei, drei Jahrzehnte her war. In den Achtzigern wurde auf einmal vieles ernster, vieles politischer. Es gab auf einmal Friedenslieder, denkt mal an Udo. ja dann auch Lieder für Karl, den Käfer, der von einer gefährderen Umwelt zeigt..... Die Party kehrte erst mit den Neunzigern mit einer Spaßgesellschaft zurück, die aus meiner Sicht gar nicht so kreativ war, wie die Jahrzehnte vorher, aber das mag die Generation nach mir wieder ganz anders sehen. Zeitgeist ist ein ziemlich oft gebrauchtes und plattes Wort, trifft aber auf einiges zu. Spielt Schweden auf die Musik von Abba eine Rolle? Ja, auf jeden Fall, die Einflüsse sind unüberhörbar, aber auch der Rest der Welt spiegelt sich in Abbas Musik wieder. Ich könnt jetzt Stunden weiter darüber nachdenken... spannendes Thema, Danke, Martin.
Ich denke sehr ähnlich, jedoch auch die optische Erscheinung und die gekonnt perfekt produzierte Musik hat viel mit dem Erfolg zutun.
Melancholie fliest durch viele Songs, Benny sagte einmal, Die langen dunklen Tage, die Sehnsucht nach Licht, all das spiegelt sich in unserer Musik...
Ihre Musik war und ist für alle Altersklassen geeignet. Wir haben uns umarmt gefühlt, umarmt von traumhaften Melodien und symphatischen Menschen, waren sie nicht gar Freunde??
Tolles Thema, Danke Martin.
ABBA Sweden, FRIDA Djupa Andetag, Agnetha A When all is said and done
Genau das ist es was ABBA für mich ausmacht. Heile Welt. Ich brauche heile Welt. Ich brauche die Hoffnung u die Zuversicht die Björn u Benny in ihren Melodien verstecken u die Frida u Agnetha sichtbar werden lassen. Träume, Gedanken, Gefühle, alles das was sich jeder wünscht, verpackt in zwei hinreißende Schönheiten die einen sofort verzaubern. Als Teenie kamen ABBA mir GRADE Recht, denn ich wollte in meiner heilen Welt bleiben. Geschadet hat es mir nicht, denn meine Träume u mein Bullerbü hab ich mir bis heute erhalten. Tolles Thema, danke Martin
Ja, auch der Zeitgeist spielt eine Rolle. Aber für mich besteht ein Unterschied zwischen Deutschland und Schweden in den Siebzigern. Der deutsche Schlager versucht seit den 50ern konsequent die dunkle Vergangenheit zu übertünchen. Deswegen floh man textlich in weit entfernte Länder, oder beschwor die Mutter (Heintje). Ich empfinde das nicht als unbeschwert, sondern als aufgesetzt.
Die Selbstverständlichkeit, mit der sich Benny Andersson als Pop und Musicalkomponist auch in der Tradition einer schwedischen Volksmusik sieht, wäre in Deutschland als deutscher Komponist undenkbar gewesen.
Man vergleiche die Auftritte von Cindy und Bert (letzter Platz) mit dem Auftritt der Sieger 1974. Der deutsche Beitrag ist schwerfällig und mit grünen Tüchern verhangen, der Funke springt nicht über.
Und wenn Abba die Bühne betreten, ist alleine die Präsenz eine ganz andere: selbstverständlich und unbelastet, echte Begeisterung.
Ich weiß, das sind hochspekulative Überlegungen. Aber das Phänomen der Kulturverarmung, bzw. die Probleme in Deutschland einen Zugang zu den eigenen Emotionen zu finden, sind für mich bis heute spürbar. In der Musik und im Film.
Ich find auch ein paar Schlager aus der Zeit ganz nett, zumal damals noch mehr musikalisches Handwerk im Spiel war. Dennoch erscheint mir die musikalische Tradition in Schweden von innen her gesünder, bis heute.
Auch die Tatsache der staatlichen Förderung der Künste und damit der Musik ist in Schweden eine ganz andere. Die Wertschätzung ist höher, sonst könnte die staatliche Förderung so nicht vor den Wählern Bestand haben.
Deutschland hat seine Künstler verjagt, ins Exil. Hollywood wäre heut nicht so groß, wenn die deutschen, kreativen Filmschaffenden nicht hätten fliehen müssen vor der Diktatur. Vor dem 2. Weltkrieg war Berlin die Welthauptstadt des Films. Danach nicht mehr.
Davon haben wir uns bis heute nicht ganz erholt. Amerikanische Film-Produktionen haben einen ganz anderen Bezug zu emotionalen Qualitäten, beim Schauspielen, bei der Lichtsetzung, beim Einsatz von Musik, beim "nicht alles erklären und ausleuchten müssen" , das fällt mir immer wieder auf.
Und das selbe Gefühl habe ich eben, wenn es um Popmusik im Bezug zur Landestradition geht, wenn ich nach Schweden schaue, bzw. höre. Mir ist keine deutsche Sängerin bekannt, die so emotional und echt singen kann wie z.B. Helen Sjöholm, ohne dass es total manieriert und aufgesetzt rüber kommt, bzw. im Pathos ersäuft.
Man vergleiche das kurz mit Helene Fischer. Eine talentierte Frau, die im Stande ist sehr viel zu leisten. Ich habe so einen Zusammenschnitt mehrerer Weihnachtsshows von ihr gesehen, letztes Jahr. Da werden sämtliche Genres bemüht, eine Artistin ist sie auch noch, tanzen, singen, zaubern, Saltos schlagen, Dinosaurier usw. Sehr beeindruckend.
Aber berührt mich das wirklich? ...?
Nein, es lässt mich kalt. Es ist aufgesetzt und emotionslos.
Kein Wunder, dass das in Deutschland so erfolgreich ist. Hier zählt Leistung, aber die Emotionen werden verleugnet und übertüncht mit Ersatzemotionen, die so tun als ob man etwas fühlt.
Ich wünschte, ich könnte das ändern! Ich versuche es.
Ich hab gerade noch ein bisschen recherchiert und dabei diese Dissertation gefunden, die exakt das Thema, was ich oben angeschnitten habe untersucht hat. Mal sehen, wie falsch oder richtig ich liege.
Das Inhaltsverzeichnis liest sich zumindest schonmal vielversprechend und auf dem Titel Bild sind natürlich Abba.
Dieses Zitat passt schonmal:
"Matt Kolstrup nennt ABBA als Erklärung für den schwedischen Musikexporterfolg. Soweit er sich erinnern kann, ist ABBA der Act, der sich am viert- besten in der Musikgeschichte verkauft habe, so dass sie den nachfolgenden Musikern den Weg gezeigt habe. Plötzlich seien alle Augen auf Schweden ge- richtet gewesen. Irgendwie sei da auch eine schwer zu beschreibende andere Mentalität und Respekt für Musik in Schweden. Aber Kolstrup zufolge fing alles mit ABBA an. Marko Palmén nennt als Grund für den Musikexporterfolg Schwedens die sehr starke musikalische Tradition mit Folkmusik in Schweden, „[...] that has been inherited through the years“. Außerdem sei Schweden wahrscheinlich so er- folgreich, weil es einen starken Support durch die Regierung gebe, die musika- lische Aktivitäten unterstütze, indem sie Proberäume zur Verfügung stelle und es gebe eine gute musikalische Ausbildung für junge Musiker in Schweden. ABBA, Roxette und Europe werden von der schwedischen Band Friska Viljor genannt."
Da weiß ich, was ich die nächsten Tage lesen werde
Deiner Beschreibung den deutschen Schlager betreffend ist nichts hinzuzufügen. Es gibt natürlich viele Leute die auf diese Art der Musik hier in Deutschland stehen. ABBA haben in den Augen einiger wohl Schlagemusik gemacht, sagen wir manche Songs haben Züge von Schlager, z.B.5x I DO....aber für mich dennoch ein riesengrosser Unterschied zum Deutschen Schlager. Kein Vergleich.
Ja Abba haben damit gespielt und es gibt Einflüsse, aber sie haben dieses Pferd nicht tot geritten, sie hatten ein Gespür dafür, wieviel Schmalz gerade eben noch so funktioniert und es gibt interessante Mischungen mit vielen anderen musikalischen Stilen und Traditionen. Ich mag es, wie sie damit spielen, ohne ihren Stil zu verraten.
Ich will es mal so erklären, so steht es übrigens auch in Fachbüchern.
Ein Schlager ist nichts anderes als ein Popsong. Was ist der Unterschied? Eigentlich gibt's nicht wirklich einen...
Es sind Songs, mehr oder weniger einfach gestrickte Lieder mit Ohrwurm und Mitsing Charakter. Natürlich mit dem entsprechenden Fuß wippen.
Die Lieder von ABBA klangen einfach, stellten sich allerdings als hochkomplexe Produktionen dar. Einfach wirkend, hoch raffiniert umgesetzt. Das Geheimnis der ABBA Musik.
Ein Schlager ein Pop Hit, nur das dem Schlager etwas naives und peinliches anheftet.
Nimmt man nun die NEUEN deutschen Songs sind diese mehr oder weniger deutsche Popsongs. Es ist dem Wort das Übel angeheftet, dem Wort Schlager.
Blickt man nach Schweden, so kam Musik aus Schweden schon in den 60ern zu uns.
Eine Siw Malmquist meinte anno " Liebeskummer lohnt sich nicht" und besang ihren " Student aus Uppsala" Da war Schweden schon in den deutschen Hitparaden sehr erfolgreich dabei. Wencke Myhre aus Norwegen Gitte ( Heanning) aus Dänemark Alle drei machten eine mega erfolgreiche Deutschland Tournee zusammen... Die 3 Skandinavierinnen.....
ABBA waren zur richtigen Zeit auf dem Bahnsteig zum Erfolg....
ABBA Sweden, FRIDA Djupa Andetag, Agnetha A When all is said and done
Die neuen deutschen Popsongs sind oft noch schlimmer, als die alten peinlichen Schlager. Stichwort: Menschen, Tanzen, Welt. Eigentlich ist der kommerzielle neue deutsche Pop stark verschlagert im negativen Sinn. Das passt auch zur konservativeren Ausrichtung der Generation um die 30 (Generation Y)
Aber es gibt auch Schlager, die ich mag, um das mal ins Positive zu wenden. Ich mag ein paar Sachen von Marianne Rosenberg und einige Klassiker sind unbestritten hörenswert. ("Wunder gibt es immer wieder")
Ab und zu habe ich ironische Phasen gehabt, wo ich Blümchen und Michelle gehört habe, um mich dabei zu ertappen, dass ich den einen oder anderen Song doch gut fand. Diese Episoden sind aber nur temporär gewesen und teilweise nicht mehr für mich nachzuvollziehen.
Aber über Geschmack lässt sich schwer streiten. Die Erinnerungen und Lebensereignisse verschiedener Menschen sind zu unterschiedlich mit bestimmten Arten von Musik verknüpft, als dass sich da allgemein gültige Regeln der Wertigkeit aufstellen lassen.
Dennoch macht es Spass, es immer wieder zu versuchen und darüber zu diskutieren.
Eine wirklich interessante Diskussion. Martin, ich geb dir in ganz vielen Dingen Recht. Über ein paar Sachen denk ich vielleicht ein wenig anders oder möchte was ergänzen.
Ich bin ja mit einem Niederländer verheiratet und erlebe jeden Tag auch die niederländische Kultur. Die die Niederlande und Schweden kennen, wissen, dass es sehr viele Paralellen hinsichtlich der typischen Eigenschaften sind. Niederländer und Schweden sind sich kulturell durchaus in manchen Dingen ähnlich, insbesondere was Weltoffenheit und Toleranz betrifft, aber auch den Hang zur Kultur und Geselligkeit. Die Niederlande haben auch eine sehr starke Musikkultur, die leider in Deutschland gar nicht so bekannt ist, da die Sprache nicht so gerne in Deutschland gehört wird. Bei vielen Künstlern ist auch gar nicht so bekannt, dass sie aus den Niederlanden kommen. Ich denke mal an Shocking Blue, Total Touch, Golden Earring, Armin van Buren.... es sind gar nicht so wenige, die international durchaus bekannt sind. Wenn man die niederländischen Musiksendungen sieht, merkt man erst, wie international die Musik ausgerichtet ist, viel mehr als es in Deutschland der Fall ist. Abgesehen davon, dass es viel mehr Musiksendungen in den Niederlanden gibt und die wenigen erfolgreichen aus Deutschland doch oft Kopien von niederländischen Sendungen sind (Ich sag nur: The Voice, Starsearch, Sing my song....) Gut, sowas wie Abba oder Ace of Base sind nicht dabei, aber für ein Land in der Größe wie den Niederlanden ist das schon beachtlich. Das hat definitiv was mit der Förderung zu tun und einer Medienlandschaft, die deutlich vielseitiger ist als in Deutschland. Wenn ich jetzt aber an die Trauma-Generation in Deutschland denke..... die gab es in den Niederlanden auch. Auch hier war der Weltkrieg geprägt durch ganz viel Tod, Zerstörung, aber auch Schuld. Die Auseinandersetzung ist durchaus ähnlich wie in Deutschland. Trotzdem klang und klingt die niederländische Popmusik ähnlich positiv wie die in Schweden. Auch die zahlreichen Festivals, die es in den Niederlanden gibt und die meisten sind offen und ohne Eintritt, spielen eine große Rolle. In den Niederlanden ist es für einen unbekannten Künstler deutlich leichter, irgendwo aufzutreten, als in Deutschland. Fast jedes Dorf hat Räume, wo die Jugend mal lauter werden kann. Auch das gemeinschaftliche Singen ist ähnlich wie in Schweden sehr beliebt. In Deutschland immer seltener. Der klassische Gesangsverein wird leider auch seltener. Der Aspekt der Förderung spielt für mich eine ganz große Rolle. Ob es jetzt in Deutschland an der Geschichte liegt? Ich glaub, es hat eher was mit der fehlenden Förderung zu tun. Jahrzehntelang gab es Geld für Klassik und Oper, aber für Popmusik gab es wenig oder keine Förderung.
Zitat "Auch hier war der Weltkrieg geprägt durch ganz viel Tod, Zerstörung, aber auch Schuld. Die Auseinandersetzung ist durchaus ähnlich wie in Deutschland."
Ich bezweifle, dass man das ohne weiteres vergleichen kann. Die Aggression ging ja von Deutschland aus. Die Niederlande waren keine Nazidiktatur und sind nicht für Millionen tödliche Einzelschicksale verantwortlich. Das ist eine andere Dimension von belastetem Kollektivgewissen. Das ist ein Aspekt.
Der andere Aspekt ist evtl. schlicht die geographische Lage. Deutschland liegt in der Mitte von Europa. Kriegerische Auseinandersetzungen finden also immer in Deutschland statt, der 30 jährige Krieg, die Weltkriege, immer stand Deutschland im Zentrum. Evtl. wird deswegen hier das Thema Sicherheit so groß geschrieben. Weil sich die Kriegsleiden im kollektiven Gedächtnis wiederfinden.
Schweden und Holland sind interessanterweise beides Seefahrernationen in Randlage, die wesentlich zum Welthandel beigetragen haben. Die Wikinger im Mittelalter und Holland als Seemacht im 15/16 Jh., von daher kommt bestimmt die größere Weltoffenheit.
Auch die Größe eines Landes spielt eine Rolle. Kleinere Länder müssen kooperieren während größere Gesellschaften eher den Hang zur Abschottung haben.
Auch die Art und Weise von Förderung von Musik hat mit den Prägungen durch Geschichte zu tun. Ich glaube es gibt fast nichts, das keine Vorgeschichte hat.