Die Abba-Alben der 70er und 80er sind noch in vollanalogen Studios aufgenommen worden, das heisst, alles was man am Mischpult einstellt ist nur für eine Mixsession gültig, weil es noch kein Total-Recall gab, wie bei heutigen Digitalpulten. Michael B.Tretow wird sich nach jeder Recordingsession Notizen für die jeweiligen Songs gemacht haben, wo er dann alle Equalizer und Effekteinstellungen notiert hat. Als Toningenieur hat man aber einen Erfahrungsschatz und weiß bei jeder Spur, jedem Instrument, wo man ungefähr die Frequenzen manipulieren muss, damit sich die Spur ins ganze einfügt. Das macht einen guten Produzenten aus, dass er intuitiv weiß, wo er ansetzen muss, damit er schnell einen Grundsound erstellen kann, bevor die Ohren müde werden.
Einen großen Einfluss hatte aber auch die Bauweise des Mischpults und der Eigenklang des Aufzeichnungsmediums. Die letzten Alben von Abba entstanden auf einer Harrison-Konsole, die einen bestimmten Equalizer an Board hatte, der auch für den Abba-Sound mitverantwortlich ist.
Das "Thriller"-Album von Michael Jackson, produziert von Bruce Swedien, entstand übrigens auch auf einer Harrisonkonsole.
Wenn ich im Jahr 2020 den Abba-Sound nachempfinden will, gibt es teilweise viele der Original Studiogeräte von damals als digitale Emulation. Die bringen dann etwas von der Klangcharakteristik mit, kommen aber meistens nicht 100% ans Original heran. Ich arbeite für Groenalund auch mit Harrison EQs vom amerikanischen Hersteller Universal Audio. Auch für die Klangcharakteristik analoger Bandmaschinen gibt es Plug-Ins. Die analoge Bandsättigung ist auch essential für den Abba-Sound, eigentlich für alle Platten seit den Beatles, bis Mitte der 80er das digitale studio langsam Einzug erhielt.
Seit einigen Jahren ist in der Studioszene ein Trend zu beobachten, dass analoge Klangbearbeitung wieder mehr geschätzt wird.
Das Visitors Album fällt in die digitale Anfangszeit. Die Mischung war trotzdem noch analog. Teilweise wurden wohl auch analoge Bänder auf digitale Spuren überspielt. Die analoge Bandsättigung ist für den Schlagzeugsound z.B. sehr wichtig.
Man kann nicht generell sagen, dass digital besser oder schlechter klingt. Wenngleich sich bei der Qualität von A/D Wandlern viel getan hat in den letzten 30 Jahren.
Der Sound, der auf einer CD zu hören ist, ist immer das Ergebnis einer langen Kette von Audiotechnik und ästhetischen Entscheidungen. ZB. Mikrofon-Vorverstärker-Mischpult-Tonband(z.b.analog)-Mastering-nochmalTonband(evtl.digital?) usw. Und dann kommt noch die Anlage des Endkunden dazu. Klangqualität ist eine sehr relative Angelegenheit.